Resilienz – oder auch: keine Panik
Eine persönliche Stellungnahme
Unsere Welt momentan: Neben den (leider) fast normalen Schauplätzen von Kriegs- und Krisengebieten wird die gesamte Welt nun vereint von einer Pandemie erfasst, die nicht nur die Wirtschaft extremst durcheinanderbringt, sondern das ganze gesellschaftliche Leben bestimmt. Und wie ich finde – einigen Gesellschaften die Maske vom Gesicht reißt und die Risse und Mängel innerhalb der Gesellschaft nun zeigt.
Ich habe länger überlegt, ob ich mich zu diesem Thema noch einmal äußern soll. Das machen doch schon so viele, vor allem in den sozialen Netzwerken… Und das auf eine Art und Weise, dass ich mich nur retten kann, indem ich das Medium verlasse. Derartige Verrohung und Respektlosigkeit ist für mich unbegreiflich und macht mich irre wütend! Muss man dagegen Flagge zeigen? Im Alltag, live sicherlich. Vielleicht auch digital. Aber jeden Tag wieder? Das zieht mir zu viel Energie.
Dennoch ist es nun so weit, dass ich das ganze Thema noch einmal aufgreifen möchte. Zum einen, weil ich doch einmal laut gegen diese Respektlosigkeit angehen möchte, zum anderen, da es ja auch mich einfach betrifft. Ich schreibe nicht von einer einsamen Insel aus dem Off und verschicke meine „Weisheiten“ in eine mir unbekannte Welt. Auch ich muss mit Abstand und Einschränkungen umgehen. Was mir zugegebenermaßen leichter fällt als mit den Beschimpfungen und Anfeindungen im Netz umzugehen. Lachen? Weinen? Schreien? Schwer sich zu entscheiden.
Ich muss zugeben, dass ich aus einer relativ guten Position heraus schreibe. Meine Existenz ist noch nicht bedroht, aber die Einbrüche sind dennoch heftig.
Die Situation ist da, wir können nur noch entscheiden wie wir damit umgehen
Resilienz bedeutet wie wir psychologisch mit Krisensituationen umgehen und sie bestehen können. Dafür benötigen wir schon Vertrauen in uns selbst und wohl auch in das, was wir tun. Darum habe ich dieses Wort aufgegriffen. Denn sie ist immer wichtig im Leben. Momentan werden wir eben extrem auf die Probe gestellt.
Wir haben nun einmal die Situation, dass COVID 19 die Welt verändert (selbst alle, die nicht an diese offensichtliche Pandemie glauben – sie verändert auch deren Welt – dann eben als Gespenst). Daran können wir auch einfach nichts ändern. Wir können nur damit umgehen.
Das machen Manche, indem sie sich Erklärungen – am besten kontrollierbare, vom Menschen gemacht – suchen. Oder indem sie sich Gruppen anschließen, die ihnen den vermeintlichen Ausweg („stimmt gar nicht“) bieten. Andere brüllen ihre Wut und Verzweiflung ungefiltert raus und schlagen verbal um sich. Wieder andere Menschen verzweifeln, sehen wirklich keinen Ausweg, sind aber nicht mehr in der Lage laut zu werden. Das sind alles Wege mit der Situation umzugehen.
Viele trösten sich mit der Aussicht auf ein leben „nach Corona“ – wird es das geben? Ich glaube nicht. Wir werden nun mit Corona leben müssen. Da wir lernfähige Wesen sind, werden wir das auch können. Das Leben wird eben anders. Merkwürdig, dass mir das Thema gerade heute, am 11. September, in die Tastatur gerät. Denn vor (unfassbaren) 19 Jahren veränderte ein Ereignis in den USA die ganze Welt. Ein von Menschen gemachtes und kontrolliertes. Es traf nicht alle unmittelbar. Vielleicht hakt für manche der Vergleich deshalb. Aber es veränderte Regeln, schürte Misstrauen und Ängste. Und das bis heute.
Was tun?
Wie also nun mit der Situation umgehen? Ich habe keinen Rat für andere. Ich kann nur berichten wie ich es tue.
Mein Weg in der Situation ist:
- Akzeptanz: Ich akzeptiere die Regeln und halte mich daran, da ich glaube, dass es gut ist vorsichtig zu sein. Wenn ich Unrecht habe, das alles doch harmloser ist als geglaubt, habe ich niemandem geschadet. Als jemand, der mit Menschen arbeitet, trage ich verantwortung für sie. Ich sehe ein, dass ich die Situation einfach nicht ändern kann und stoppe Gedanken wie: „Wenn es COVID 19 nicht gäbe hättest du….. wäre…..“ Denn das bringt nichts.
- Perspektivwechsel und Chancen suchen: Auch bei mir sind fast alle Präsenztermine ausgefallen. Zuerst aus Unsicherheit und eigener Panik, weil niemand wusste wie es weitergeht, dann aufgrund von Personalmangel, da die Kinderbetreuung flachfiel, dann aus allgemeiner Vorsicht. Momentan sind selbst leichte Erkältungssymptome ein Hindernis. Gar nicht einmal unbedingt aus Angst, dass es Corona ist. Aber Erkältung bedeutet auch in leichter Form zu Hause bleiben, um Gefahr auszuschließen. Also werden auch diese harmlosen Symptome zur „Gefahr“. Ich hatte nun die Wahl: Panik, Angst, Hinschmeißen oder positiv denken, umdenken, neue Wege suchen. Entschieden habe ich mich für Letzteres. Ich habe Online-Projekte in Angriff genommen, die schon längst auf Umsetzung warteten. Ich habe mich selbst fortgebildet und Online-Angebote genutzt. Wissen schadet nie 🙂 So sind viele schöne (vermeintlich krisensichere) Dinge entstanden.
- Das Positive sehen: Auch wenn so manche hässliche Fratze nun in der Gesellschaft zum Vorschein kommt, zeigt sich auch zum Glück die andere Seite. Darauf lege ich meinen Fokus. Im Alltagsleben genieße ich mehr Zeit zu haben, weniger unterwegs zu sein. Ich probiere Dinge aus, für die mir oft die Muße fehlte. Das ist durchaus positiv.
- Dankbar sein für das, was man hat. Was mich diese Zeit definitiv lehrt und was ich am stärksten wahrnehme: Ich bin unfassbar dankbar für so viele Sachen, die mir bisher gar nicht so bewusst waren. Sie sind einfach untergegangen oder ich habe sie als selbstverständlich hingenommen und merke nun wie viel sie mir bedeuten und was für einfache Situationen zufrieden und glücklich machen: Spieleabende, Gespräche mit Freunden, Familie, meinem Partner, Picknick im Park (wären wir doch sonst nie drauf gekommen), mehr selber machen, meine Planzen auf dem Balkon, mein Zweitwohnsitz in Ostfriesland mit Garten und Weite, die Katzen zu Hause… Alles war immer da, wird nun aber bewusster und intensiver.
Ich freue mich extrem auf Treffen mit Anderen. Da es lange nicht ging. Den Geburtstag mit Freunden und Familie zu feiern war so normal. Nun wurde der gemeinsame Tag mit Kuchen und Grillen zum besonderen Ereignis. Auf einmal fallen uns diese einfachen Freuden wieder ein. So sind 3 Tage Urlaub in der alten Heimat plötzlich so bewusst und dadurch so erholsam wie sonst 2 Wochen in einem anderen Land. Die vielen kleinen Dinge werden wieder groß und wenn du dann feststellst, dass dir das reicht, ist das ein wundervolles Gefühl. Auch beruflich bekommen die wenigeren Aufträge und Projekte nun mehr Kraft und noch mehr Bedeutung. Ich bin nun noch dankbarer für jeden Beitrag, den ich leisten kann. - Zeit nutzen: Wenn sie nun schon einmal da ist, dann kann ich sie auch nutzen. Also die Zeit. 🙂 Neben der Umsetzung von Projekten wird auch ausgemistet, renoviert, mal wieder in Ruhe gelesen, Klavier gespielt.. Das kann ich, die sonst kaum zu Hause war, nun sehr gut genießen.
Wenn mich dann kurzzeitig die Panik wieder überkommt, gelingt es mir meist recht schnell im Vertrauen auf meine Stärken, die Zukunft und darauf, dass es immer einen Weg gibt, mich wieder zu beruhigen. Daran glaube ich auch fest: Es gibt immer einen Weg. Der kann sehr lang und schwer sein, durch Tiefen führen, aber es geht irgendwann immer wieder hoch.
Ich muss noch einmal betonen, dass ich aus einer recht komfortablen Position heraus schreibe. Ich verstehe jeden Veranstaltungstechniker, Künstler und all jene, die immer noch nicht wieder weitermachen dürfen, wenn er mir meine „gut gemeinten Erfahrungswerte“ an den Hut stecken möchte. Eher möchte ich allen, die selbst gerade in ihrer Existenz nicht bedroht sind (damit meine ich keinen Verzicht auf Luxus, sondern wirklich Existenz), mit meinem Weg zeigen, dass wir manchmal den Blickwinkel wechseln müssen, damit sich Situationen entschärfen können und sich der Angst zu ergeben nicht unbedingt die beste Lösung ist.
Ich wünsche uns allen, dass wir lernen, entwickeln, Wege finden und aus dieser Zeit mit mehr Gemeinschaftssinn und Stärke herausgehen als es momentan manchmal den Anschein hat. Und ich wünsche uns einen guten Weg ab jetzt mit diesem C im Alltag zu leben.
Danke für eure Zeit! Bleibt gesund!